Gespräche zur Psychologie

„Symbole des Weiblichen“

Gespräch mit Sigmund Freud

Das Wohnhaus Ersatz für den Mutterleib

Kurt E. Becker im Gespräch mit Sigmund Freud

Das Gespräch findet sich in „Der behauste Mensch“, Patmos Verlag 2021

Gespräch mit Georg Groddeck

Erinnerung an das Paradiesesleben im Mutterleib

Kurt E. Becker im Gespräch mit Georg Groddeck

Das Gespräch findet sich in „Der behauste Mensch“, Patmos Verlag 2021

Gespräch mit Georg Simmel

Ein neues Zentrum

Kurt E. Becker im mit Georg Simmel über Wohnstil

KEB: Lassen Sie uns heute über „Stil“ miteinander sprechen, Herr Simmel. Denn guten oder schlechten Stil hat ja immer auch unser Hausen und Wohnen.

Simmel: … In seinen Zimmern ist der Mensch die Hauptsache, sozusagen die Pointe, die, damit ein organisches und harmonisches Gesamtgefühl entstehe, auf breiteren, weniger individuellen, sich unterordnenden Schichten ruhen und sich von ihnen abheben muss.
Das Kunstwerk, das im Rahmen an der Wand hängt, auf dem Sockel steht, in der Mappe liegt, zeigt schon durch diese räumliche Abschließung, dass es sich nicht in das unmittelbare Leben mischt, wie Tisch und Glas, Lampe und Teppich, dass es der Persönlichkeit nicht den Dienst der „notwendigen Nebensache“ leisten kann.

KEB: In puncto Stil messen Sie dem Möbel eine besondere Relevanz bei…

Simmel: Das Prinzip der Ruhe, das die häusliche Umgebung des Menschen tragen muss, hat mit wunderbarer instinktiver Zweckmäßigkeit zu der Stilisierung dieser Umgebung geführt: Von allen Gegenständen unseres Gebrauches sind es wohl die Möbel, die am durchgehendsten das Cachet irgendeines „Stiles“ tragen. Am fühlbarsten wird dies am Esszimmer, das schon aus physiologischen Motiven die Ausspannung, das Herabsteigen aus den Erregungen und dem Wogen des einzelnen Tages in eine breitere, mit anderen geteilte Behaglichkeit begünstigen soll. Ohne sich dieses Grundes bewusst zu sein, hat die ästhetische Tendenz von jeher gerade das Esszimmer besonders „stilisiert“ haben wollen und hat die in den siebziger Jahren beginnende Stilbewegung in Deutschland zuallererst das Esszimmer ergriffen.

KEB: Hier wäre eine Exemplifizierung von Stil und Geschmack vielleicht hilfreich? Immerhin beziehen sich Ihre Beobachtungen auf das 19. Jahrhundert.

Simmel: Eigentümlicherweise nämlich besteht – für den modernen Menschen – diese Stilforderung eigentlich nur für die einzelnen Gegenstände seiner Umgebung, keineswegs aber ebenso für die Umgebung als Ganzes. Die Wohnung wie sie der Einzelne nach seinem Geschmack und seinen Bedürfnissen einrichtet, kann durchaus jene persönliche, unverwechselbare, aus der Besonderheit dieses Individuums quellende Färbung haben, die dennoch unerträglich wäre, wenn jeder konkrete Gegenstand in ihr dieselbe Individualität verriete. Dies mag auf den ersten Blick sehr paradox erscheinen. Aber angenommen, es gälte, so würde es zunächst erklären, weshalb Zimmer, die ganz streng in einem bestimmten historischen Stil gehalten sind, zum Bewohnen für uns etwas eigentümlich Unbehagliches, Fremdes, Kaltes haben – während solche, die aus einzelnen Stücken verschiedener, aber nicht weniger strenger Stile nach einem individuellen Geschmack, der freilich ein ganz fester und einheitlicher sein muss, komprimiert sind, im höchsten Maße wohnlich und warm wirken können.

KEB: Nun vielleicht noch ein abschließendes Wort zur Synthese und der Gesamtform.

Simmel: Ein Umkreis von Dingen, die völlig eines historischen Stiles sind, gehen eben zu einer in sich geschlossenen Einheit zusammen, die das darin wohnende Individuum sozusagen von sich ausschließt, es findet keine Lücke, in der sein persönliches, jenem vergangenen Stile fremdes Leben sich in ihn ergießen oder mit ihm vermählen könnte. Dies wird aber merkwürdigerweise ganz anders, sobald das Individuum sich aus mannigfaltig stilisierten Objekten seine Umgebung nach seinem Geschmack zusammensetzt; dadurch bekommt sie ein neues Zentrum, das in keinem von ihnen für sich liegt, das sie nun aber durch die besondere Art ihrer Zusammenfügung offenbaren, eine subjektive Einheit, ein ihnen jetzt anfühlbares Erlebtsein durch eine persönliche Seele und eine Assimilation an diese. Dies ist der unersetzliche Reiz, weshalb wir unsere Räume mit Gegenständen vergangener Zeiten ausstatten, und aus solchen, deren jeder das beruhigte Glück des Stiles, d. h. eines überindividuellen Formgesetzes trägt, ein neues Ganzes herstellen, dessen Synthese und Gesamtform nun dennoch durchaus individuellen Wesens und auf eine und nur eine besonders gestimmte Persönlichkeit eingestellt ist.

KEB: Herr Simmel, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Georg Simmel, geboren 1858 in Berlin, gestorben 1918 in Straßburg war ein deutscher Philosoph und Soziologe. In seinem Hauptwerk „Die Philosophie des Geldes“ veranschaulicht er die Macht des Geldes mit dem simplen Beispiel, dass die Banken größer und mächtiger seien als die Kirchen. Sie seien die Mittelpunkte der Städte.
Gespräch mit Carmen Sylva

Die Seele wünscht sich oftmals die Befreiung

Kurt E. Becker im Gespräch mit Carmen Sylva

Das Gespräch findet sich in „Der behauste Mensch“, Patmos Verlag 2021